Geschichte der Dekompressionsforschung

Bereits 1670 hatte Robert Boyle festgestellt, dass sich Gase unter Druck in Flüssigkeiten lösen und es bei plötzlicher Druckentlastung zu Gasblasen in der Flüssigkeit kommt. Dies führte den deutschen Felix Hoppe-Seyler 1857 dazu, seine Theorie der Gasblasenembolie als Ursache der Dekompressionskrankheiten aufzustellen, und 1869 veröffentlichte Leroy de Mericourt eine medizinische Abhandlung hierzu („Vom physiologischen Standpunkt her betrachtet, ist der Taucher eine Flasche mit Sodawasser“). Zwar erkannte schon Mericourt den Zusammenhang zwischen Tauchtiefe, Tauchzeit und Geschwindigkeit des Aufstieges, allerdings wurde dies nicht in handhabbare Praxisanweisungen für die Allgemeinheit der Taucher umgesetzt.

Die ersten systematischen Untersuchungen hierzu wurden vom Pariser Physiologieprofessor Paul Bert durchgeführt. In seinem 1878 erschienenen Lehrbuch für Taucher wird das Zusammenwirken von Druck, Zeit und Luft dargestellt. Bert war auch der erste, der sich mit den Auswirkungen der verschiedenen Gase auf den Taucher befasste und neben der Rolle des Stickstoffs bei der Dekompressionskrankheit auch die gefährliche Rolle von reinem Sauerstoff unter Druck beschrieb. Bert beschrieb eine Dekompressionszeit von 20 Minuten pro Bar Druckentlastung.

Diese Empfehlungen bildeten für zirka 30 Jahre die Grundlage für Taucherarbeiten (die erste deutschsprachige Dissertation zur „Druckluftlähmung“ erschien 1889). Im Jahr 1905 untersuchte dann John Scott Haldane die Auswirkungen der „schlechten Luft“ in Abwasserkanälen, Eisenbahntunneln und Kohlegruben auf den menschlichen Organismus. Im Zuge seiner Forschungen entdeckte er, dass die Atmung ausschliesslich vom Druck des CO2 auf das Atemzentrum abhängt. Er schlug nunmehr der britischen Admiralität vor, eine Studienkommission zur wissenschaftlichen Erforschung des Tauchens einzusetzen, um über die Druckgas-Forschung zu sicheren Arbeitsmethoden für Taucher zu kommen.

Haldane liess als erstes Ziegen zirka 60 m in der Druckkammer „tauchen“. Dabei stellte er fest, dass magere Ziegen weniger anfällig für die Dekompressionskrankheit als fette sind. Dies führte ihn zu der Theorie der unterschiedlichen Gewebeklassen, welche unterschiedlich schnell auf- und absättigen. Grundannahme von Haldane war, dass die Geschwindigkeit ausschliesslich vom Durchblutungsgrad der Gewebe abhängt. Auf Basis dieses vereinfachten Modelles des menschlichen Körpers berechnete Haldane seine Dekompressionstabellen, die er 1907 erstmals veröffentlichte. Die Tabellen von Haldane gingen – aufgrund eindeutiger Vorgaben der Auftraggeber (britische Marine) – nur bis 58 m.

Dieses Modell war wiederum für zirka 25 Jahre die Grundlage aller Forschungen. Ab 1935 erkannte man, dass dieses Modell nur für einen sehr eingeschränkten Tiefen-Zeitbereich gilt und forschte an möglichen Verfeinerungen (konstante Übersättigungsfaktoren durch Hawkins, Schilling und Hansen 1935, variable Übersättigungsfaktoren durch Duyer 1976, Theorie der stillen Blasen durch Hills 1971).

Nach 1945 haben die Tabellen der US Navy (1958) die weiteste Verbreitung gefunden. Diese benutzen 6 Gewebeklassen mit variablen Übersättigungsfaktoren für jede Dekompressionsstufe. 1983 erkannte Albert Bühlmann, dass das Modell der parallelen Sättigung nicht mehr haltbar ist, da ja die Gewebe den Stickstoff nur an die umgebenden Gewebe abgeben können. Daraus entwickelte er ein Modell mit 16 Gewebeklassen (ZH-L16), welches aus linearen Differentialgleichungen besteht. Dieses Modell kann numerisch gelöst werden und bildet die Grundlage auch neuerer Dekompressionstabellen (z.B. Deko 2000 von Dr. Max Hahn).

Dieser klassische Ansatz von Bühlmann und Kollegen (Diffusionsmodelle) zeigt aber nach neueren Erkenntnissen Schwächen bspw. hinsichtlich der Mikrogasblasenbildung. Daher versuchten sich verschiedene Tauchmediziner und -physiologen an einem alternativen Ansatz mit den sogenannten Blasenmodellen. So zum Beispiel D. E. Younts VPM (varying permeability model) oder Bruce R. Wienke mit seinem RGBM (reduced gradient bubble model), welches derzeit in den Tauchcomputern der finnischen Firma Suunto verwendet wird. Nach dem RGBM werden so genannte deep stops favorisiert, von denen schon seit langem postuliert wird, dass sie die Blasenbildung im venösen Blut vermindern können. Die Idee der deep stops ist nicht neu. Sie besagt, dass bereits auf grösserer Tiefe kurze Stopps eingelegt werden sollten, um die Entstehung von kleineren Bläschen wirksam zu verhindern.

Weder das Bühlmann-, noch das VP- oder RGB-Modell bieten eine absolute Sicherheit gegenüber Symptomen der Dekompressionskrankheit, da alle Modelle nur empirischer Natur sind und von einer deutlichen Vereinfachung der komplexen Abläufe der Auf- und Entsättigung im Körper ausgehen. Insbesondere die neueren Modelle bedürfen einer weitergehenden Validierung durch medizinische Untersuchungen. Eine Möglichkeit sind Untersuchungen zum Nachweis von Mikrogasblasen im venösen und arteriellen Blutkreislauf durch Doppleruntersuchungen, wie sie zur Zeit vom DAN in Rahmen von grösseren Studien praktiziert werden.